Internet für Geflüchtete – ein Blick hinter die Kulissen

Wer uns auf Twitter oder Facebook folgt konnte in den letzten Wochen bereits einen Eindruck davon bekommen, was wir alles unternehmen, um zwei große Unterkünfte für Geflüchtete aus der Ukraine mit Netzwerk-/WLAN-Infrastruktur auszustatten. Aber der Reihe nach…

Ende März erreichte uns eine Anfrage der Bezirksregierung, in der wir um Hilfe bei der Einrichtung von WLAN-Netzen in zwei im Aufbau befindlichen Unterkünften gebeten wurden. Natürlich konnten und wollten wir helfen und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Zwei Tage später (25.3.) verbrachten wir unsere Mittagspause in einer ehemaligen Kaserne, um uns einen ersten Eindruck des Geländes und der bestehenden Infrastruktur zu verschaffen und der Plan war gesetzt; wir machen das!

Ungefähr 224 investierte Personenstunden später möchten wir die Verschnaufpause des Osterwochenendes nutzen, um Euch einen Einblick hinter die Kulissen zu gehen.

Nach der ersten Begehung der Kaserne ist klar: Hier müssen wir noch einige Zeit investieren, um Verfügbarkeit und Zustand der Bestandsinfrastruktur zu ergründen und wir brauchen eine ganze Menge Hardware.

Hardware

Dank unseren guten Kontakten in der Netzwerkercommunity ist die Hardwarefrage schnell gelöst, PoE-fähige Switche sind sofort organisiert und am Sonntag (27.3.) findet eine Videokonferenz mit den netten Menschen von EventInfra statt, die uns Aruba Hardware von ihrer Give Away Liste für unsere Projekte vermachen wollen. Über EventInfra kommt ebenfalls der Kontakt zum Kreativität trifft Technik e.V. zu Stande, der uns netterweise sehr kurzfristig Ruckus WLAN Equipment (40 APs + Controller) zur Verfügung stellt. Am selben Wochenende erreicht uns eine Rückmeldung auf unsere Frage nach ausrangiertem WLAN Equipment und der Selfnet e.V.  bietet uns 140 Huawei AccessPoints samt Controllern an, die wir dankend annehmen; für die Kaserne werden wir eine große Menge an APs benötigen. Die Ruckus Hardware findet per DHL ihren Weg zu uns und Sophie nimmt den Transport der Huawei-Hardware aus Stuttgart zum Anlass für einen Besuch in Paderborn. Ein Core-Switch und ein Häufchen Optiken aus einer vorherigen Spende der Pfalzkom liegen schon bereit.  Ganz großer Dank an alle Beteiligten, die uns so kurzfristig und pragmatisch mit der Hardware für unsere Arbeit unterstützt haben, ohne Euch wäre das nicht möglich gewesen!

Jugend Forscht

Zurück zur Kaserne.  Passenderweise haben zwei Freifunker Montag bis Mittwoch (28. – 30.3.) der Folgewoche Urlaub und so verbringen wir diesen als Aktivurlaub in der Kaserne. Google Fit lobt uns mehrfach für über 10.000 Schritte pro Tag. Dabei laufen wir Haus für Haus und Raum für Raum durch die relevanten Bereiche  und zeichnen gefundene Kupfer- und vor allem Glasfaserkabel in Pläne ein und messen sie – nachdem wir die jeweilige Gegenstelle gefunden hatten – durch. Am Ende befinden sich 16 Locations und 9 Racks samt Kabeln mehr in unserer Netbox. Mit der nun vorgefundenen Infrastruktur und den zwei Stellen, an denen in der Vergangenheit Internetverbindungen der Telekom existiert haben dürften, können wir arbeiten. Es formt sich ein Plan, wie unsere Infrastruktur aussehen könnten, die Hardware dafür haben wir ja nun großteils (zugesichert).

Büren  – der Plan

Szenenwechsel. Am Donnerstag (31.3.) Morgen findet die erste Begehung am 2. Standort, im Stöckerbusch bei Büren, statt; hier werden bereits Zelte aufgebaut, die als Notunterkunft dienen sollen. Auch für diesen Standort sollen wir für WLAN bzw. Internetzugang für die Geflüchteten sorgen. Aufgrund der Lage mitten im Wald und mit dürftiger Netzabdeckung ist es hier besonders wichtig eine stabile Infrastruktur aufzubauen, um digitale Teilhabe, Kommunikation mit der Familie oder auch Remote Schooling zu ermöglichen. Nach 1,5 Stunden steht ein Plan: Hier soll das Ruckus Equipment zum Einsatz kommen und wir benötigen eine Menge Kupfer- und Glasfaserkabel, um Infrastruktur auf dem Gelände aufbauen zu können. Nach einer virtuellen Planungssitzung am selben Abend ist klar: Wir brauchen 2km Kupferkabel, 1km Glasfaserkabel, und ein wenig Montagematerial – geschätzte Gesamtkosten 3.700€. Am 5.4. kommt grünes Licht von der Bezirksregierung und wir gehen Einkaufen.

Vorbereitung und Aufbau

Am Wochenende (02. + 03.04.) bereiten wir die aktiven Komponenten vor, Samstag Abend konfigurieren wir Switche und Router und am Sonntag gibt es per BigBlueButton eine Einweisung in das Ruckus WLAN Equipment und einige Stunden später sind Controller und alle 40 APs konfiguriert und bereit für den Aufbau.

Der Aufbau der Komponenten beginnt mit vereinten Kräften am Samstag morgen (09.04.). Mittlerweile konnten wir die benötigen Kabel bestellen und Kleinkram im Baumarkt kaufen und bis auf die Glasfasern ist alles vorhanden. Das Auto ist voll beladen und wir sind frohen Mutes.

Kabelverlegung mit Gerüst Vor Ort müssen wir leider feststellen, dass ein Teil der Planung nicht aufgeht, da neue Lauf- bzw. Fluchtwege hinzugekommen sind, wir daher an einigen geplanten Stellen keine Kabel zwischen den Zelten verlegen können und einige andere bauliche Details auch nicht so sind wie erwartet. Wir plantn etwas um und suchen eine pragmatische und kreative Lösung – das wird uns quasi als Motto durch die nächsten Tage begleiten. Mit 16 fleißigen Händen versorgen wir das erste Zelt mit 6 AccessPoints und verlegen die nötigen Kabel zu einem Knotenpunkten an dem wir später einen Switch aufbauen werden. Da wir Kabel und APs in gut 4 Metern Höhe verbauen müssen, kommen wir nur mit einem Gerüst an die richtigen Stellen und entsprechend langsam voran. Der Versuch mit Leitern zu unterstützen wird recht schnell als „das lassen wir mal besser“ ad acta gelegt.

Zeitgleich bereiten wir den „Core“ für das Gelände vor. Hier soll später der Internetanschluss ankommen, die Glasfaser- und Kupferkabel der umliegenden Zelte zusammenlaufen sowie WLAN-Controller und Router stehen. Um die Kabel in das Haus einzuführen, müssen wir entweder ein großes Loch in die Wand bohren oder improvisieren. Wir entscheiden uns für letzteres und damit für eine nicht invasive Lösung und vor allem „was mit Holz machen“! Dank vorhandenem Werkzeug sind die Platten schnell zurechtgesägt und in das aufgeklappte Fenster eingebaut und fertig ist die Kabeleinführung.

Die umliegenden Zelte wollen wir direkt mit dem Core verbinden, ergo müssen nun einige Meter Kupferkabel von den schweren Trommeln abgerollt werden. Eine Abrolleinrichtung dafür haben wir leider nicht dabei, aber es findet sich eine kreative Lösung.

Am Ende des Tages ist der Core betriebsbereit, zwei Zelte mit APs ausgestattet und in zwei weiteren liegen Kabel bereit.

Die ersten Glasfasern

Am 11.04. werden die Glasfasern geliefert und nach der Arbeit verlegen wir die längste Faser für das Gelände soweit wir sie gefahrlos ziehen können. Leider geht der Plan hier auch nicht ganz auf. Wir lassen das Ende aufgerollt ein Zelt „zu früh“ zurück, da danach kein stolperfreier Weg mehr verfügbar ist.

 

Das Internet

Weiter geht’s am 14.04. Zweien von uns haben unsere Arbeitgeber für den Tag frei gegeben, um den Aufbau voran zu bringen und der Rest nimmt sich die Zeit. Heute soll der Internetanschluss geschaltet werden, der für die Unterkunft beauftragt wurde. Um ihn zu erreichen müssen wir 350m Glasfaser verlegen, unter der Straße liegt bereits ein Leerrohr, das sollte ja schnell gehen… Eigentlich… Nach dem ersten Versuch, die Faser mit Hilfe des im Rohr liegenden Drahtes einzuziehen wissen wir: Es wird nicht einfach. Der Draht ist stark verrostet und reißt nach einem Meter ab, also los in den Baumarkt und neuen Gartendraht holen. Das Einziehen des neuen Drahts gestaltet sich ebenfalls schwierig, irgendwo hängt’s. Nach ungefähr 3 Stunden, unzähligen Versuchen, nun zum Teil freigelegten Rohren und Daumendrücken der umstehende Arbeiter schafften wir es den neuen Draht durch das Rohr zu bekommen und können die Faser durchziehen, juhu. Die restlichen 250m verschwinden in einem Loch in der Mauer und werden dort verlegt. Das andere Ende findet seinen Weg zum Core und das grüne Lämpchen am Switch verhieß Gutes – wir sind online! Die IPs hatten wir am Vorabend bekommen und im Laufe des Morgens konfiguriert und damit ist das freie Internet in den ersten Zelten verfügbar. So langsam werden die Erfolge der Arbeit der letzten Tage sichtbar.

Die nächsten Zelte

Über Ostern nehmen wir uns den nächsten Zelten an, am 15. und 17.04. verbauen wir weitere 12 APs und verlegen einige hundert Meter Kabel. Ein Zelt war dank der zuvor verlegten Glasfaser, die wir nun aus pragmatischen Gründen einfach umwidmen, sofort online. Die anderen beiden warten nur darauf, dass im Laufe der Woche eine Kabelbrücke auf dem Gelände aufgestellt wird, über die wir eine weitere Faser und zwei Kupferkabel vom Nebenzelt  an ihren Bestimmungsort verlegen können. Um die verbleibenden Zelte können wir uns hoffentlich am Wochenende kümmern, wenn wir noch zwei Glasfasern beschaffen konnten.

To be continued…